Lupus-Erythematodes-Selbsthilfegruppe Darmstadt



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Starke Patientenverbände!


Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnet in einer aktuellen Meldung richtig die "armen Menschen" als Opfer der jüngsten Gesundheitsreform und listet "Behinderte, Suchtkranke, Obdachlose und Menschen in Alten- und Pflegeheime" auf. Vergessen werden dabei die chronisch Kranken, die die eigentliche Haupt-Zielgruppe der Einsparungen sind.

Zwar ist die Definition von "chronisch Krank" mit der Einbeziehung der Lebensqualität entsprechend der modernen Gesundheitswissenschaft gefasst worden und viele chronisch Kranke fallen tatsächlich unter die Ein-Prozent-Regelung.

Klammheimliche Kosten sind jedoch mit der Praxisgebühr, den erhöhten Zuzahlungen für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel und der Kostenübernahme für nicht-verschreibungspflichtig Medikamente hinzugekommen. Einkommensstarke chronisch Kranke können sich das alles weiterhin leisten, die sozial Schwachen fallen durchs Netz.

Generell hat die Gesundheitsreform die Situation von Behinderten und Alten nicht unbedingt unverhältnismäßig verschlechtert. Es kommt auf das Einkommen an und ob eine chronische Erkrankung vorliegt.

Ich kenne zum Beispiel eine Behinderte (SBH 60 Prozent), die jetzt unter die Ein-Prozent-Regelung fällt. Sie findet das ganz witzig. Sie nimmt medizinische Hilfe gar nicht so häufig in Anspruch und kann sie sich leisten.

Die Senioren gehören heute vielfach zu den finanziell gut gestellten Bevölkerungsgruppen. Sie kommen zum Teil aus den Zeiten der Vollbeschäftigung und guten Einzahlungen in die Rentenkassen. Man muss sich nur einmal vor Augen halten, dass wir nunmehr seit einer Generation in Deutschland Arbeitslosigkeit haben (seit Ende der siebziger Jahre), mit steigender Tendenz, derzeit viereinhalb Millionen. Beitragsjahre in die Rentenversicherung gehen verloren. Hatte man keinen tollen Job, steht man als Arbeitsloser nicht besonders gut da. Der Anteil der Sozialhilfeempfänger an den Alleinerziehenden ist besonders hoch. Kinder wachsen in Armut auf. Ein Viertel der Schulabgänger gilt heute in Deutschland als "nicht ausbildungsfähig". HIER liegen die Probleme.

Richtig muss es heißen: Die sozial schwachen chronisch Kranken sind die eigentlich Leidtragenden der Gesundheitsreform. Dazu gehören manche behinderte und alte Menschen, aber eben auch junge arbeitslose oder mit einer minimalen Erwerbsminderungsrente ausgestattete chronisch Kranke. Und hier schließt sich der Kreis: Wer chronisch krank ist, verliert häufiger seinen Arbeitsplatz, wird in keine private Zusatzversicherung mehr aufgenommen, gerät eher ins soziale Abseits als Gesunde. Nicht zu vergessen die undiagnostizierten Patienten, die sich aufgrund der Praxisgebühren den Gang zum Arzt und eine gründliche Abklärung der Erkrankung in manchen Fällen nicht mehr leisten können. Als Lupus-Betroffene kann ich davon ein trauriges Lied singen, denn Lupus wird oft erst nach einer jahrelangen Odyssee von Arzt zu Arzt diagnostiziert.

Dass chronisch Kranke in der Politik keine Lobby haben, wird auch an den gesellschaftlichen Reformen deutlich: 2001 wurde mit der Einführung der Erwerbsminderungsrente die Versorgung von erwerbsgeminderten chronisch Kranken drastisch zusammengestrichen, mit einer EM-Rente, die oft nicht viel höher liegt als das Sozialhilfeniveau. Groß protestiert hat irgendwie keiner. Die jetzige Gesundheitsreform erregt erst im Nachhinein Empörung, denn schlagkräftige Patientenverbände gibt es in Deutschland nicht. Im nächstem Jahr sollen nun die Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose verschärft werden. Die Gewerkschaften laufen Sturm und ich bin gespannt, ob die Politik nicht einen Rückzieher machen wird.

Bischof Hengsbach hat Recht, wenn er uns in Deutschland auf dem Weg in eine "Wolfsgesellschaft" sieht. Damit holen wir allerdings im "Reformstau" nur auf, wo die anderen europäischen Länder schon längst sind: Praxisgebühr und Übernahme von Medikamentenkosten gehört dort seit langem zur Tagesordnung.


Ein Beitrag vom 12.04.2004 von Dorothea Maxin im Tagesschau-Diskussionsforum zur Gesundheitsreform.


(Diese Seite wurde am 17.2.2024 aktualisiert.)


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