Lupus-Erythematodes-Selbsthilfegruppe Darmstadt



Startseite   Berichte   Infomaterial   Geschichte   Tipps zur Gesundheitsreform
Lupus-Ratgeber   Neuigkeiten



Interview mit einer Lupus-Patientin

Wie hat denn die Krankheit bei dir angefangen?

Es fing an mit Gliederschmerzen im Alter von ungefähr vierzehn Jahren. Das waren Schmerzen zuerst in den Knien und Fußgelenken und später in der Hüfte. Schon in der zehnten Klasse konnte ich manchmal nicht mehr so gut laufen und im Sport nicht mehr mitmachen. Zum Schluss konnte ich mich auch nicht mehr bücken, das war schon komisch, dann musste ich die Schuhe angezogen bekommen. Außerdem war mir oft schwindelig.

Was hattest du noch für Beschwerden?

Mit der Zeit kamen dann immer häufiger Erkältungen dazu, zuerst ein paar jedes Jahr, dann alle paar Monate, dann jeden Monat, und dann war ich eigentlich dauernd krank, Schnupfen, Halsschmerzen, Mandelentzündungen... Dabei hatte ich auch oft hohes Fieber, bis 40 Grad. Deswegen habe ich in der Schule auch viel mehr gefehlt als andere Kinder.

Und was sagte der Hausarzt dazu?

Er nahm die Beschwerden nicht sehr ernst und schob sie auf Grippeepidemien oder das Wetter, sowohl die Gliederschmerzen als auch die Kreislaufprobleme, die ich damals auch oft hatte. "Mädchen, das kann am Wetter liegen, weißt Du, wenn's mal regnet und am nächsten Tag wieder die Sonne scheint, davon kann das kommen", meinte er. Oft war mir schwindelig, der Blutdruck war niedrig, einmal 40 zu 50, da hat er mir leicht an die Backe geklopft und gefragt: "Lebst du noch?" Wegen des niedrigen Blutdrucks bekam ich dann Carnigen forte® verordnet.

Hattest du damals noch irgendwelche anderen Beschwerden?

Ja, ich war oft müde und schlapp und konnte mich nicht richtig konzentrieren. Auch das Zittern hatte ich eigentlich schon immer, und auch die Sonnenlichtempfindlichkeit. Sobald ich in die Sonne ging, bekam ich im Gesicht rote Flecken - heute weiß ich, dass das ein "Schmetterlingserythem" war. Außerdem hatte ich oft trockene Augen. Sie waren dann ganz rot und juckten fürchterlich und ich hatte das Gefühl, als ob mir am Meer eine Brise Sand in die Augen weht. Sehen konnte ich schon, aber es tat weh. Ich habe mir dann immer die Augen wundgerieben. Woher das kam, wusste der Hausarzt nicht, er hat mir auch nichts dagegen verordnet.

Was haben denn deine Familie und Freunde dazu gesagt?

Es hieß oft: "Komm, reiß' dich zusammen...

Wurde auch mal Blut abgenommen?

Ja. Die Blutsenkung und die Immunglobuline waren immer wieder erhöht. Der Hausarzt sagte, es könnten rheumatische Beschwerden sein, aber man bräuchte nichts zu machen. Eine Mutter hat mir dann Schmerztabletten gegeben, Aspirin, und ich merkte, dass es mir besser ging. Meine Mutter kennt sich medizinisch etwas aus und hat in Büchern nachgeschaut und ist dann auf LE gestoßen. Sie hat mir die Symptome vorgelesen und ich habe gedacht, das passt doch hundertprozentig auf mich! Wir haben den Hausarzt dann immer wieder darauf angesprochen, ob es nicht diese Krankheit sein könnte, aber er tat es damit ab, dass LE sehr selten und unwahrscheinlich sei.

Und wie ging es dann weiter?

1990 hatte ich einen schweren Autounfall und musste am Kopf operiert werden. In dem Zusammenhang wurde ich im Krankenhaus ein paar Wochen mit Kortison behandelt. Von meinen Gelenkbeschwerden wussten die Ärzte dort nichts. Danach waren die Gelenkschmerzen für ungefähr zwei Jahre besser, dann fing alles wieder an, auch die Erkältungen. Seit dem Unfall musste ich wegen Anfällen Tegretal® nehmen.

Was waren das für Anfälle?

Krampfanfälle mit Muskelzuckungen, ich bin dann einfach in der Küche umgekippt. Vorher merkte ich es bereits an zunehmender Nervosität, Zittern, Schwitzen, Kopfschmerzen und Schwindel. Vor dem Unfall hatte ich das nicht. Auch heute kippe ich manchmal um, hauptsächlich bei Stress, es sind mehr Ohnmachtsanfälle.
Dann bekam ich Haarausfall. Ich dachte schon, wenn das so weitergeht, habe ich bald eine Glatze! Oft war ich müde und schlapp und hatte Kopfschmerzen. Weil die Erkältungen immer häufiger wurden, ließ ich mir die Mandeln rausnehmen. Wegen der Mandeloperation bekam ich ungefähr eine Woche lang Kortison. Danach war es für ungefähr zwei Monate besser, dann gingen die Erkältungen wieder los. Zum Schluss war ich jede Woche beim Hausarzt und er fand mich schon etwas verrückt. Im Sommer 1995 verschlechterte sich mein Gesundheitszustand nach ausgiebigem Sonnenbaden und Schwimmbadbesuchen sehr und ich bin an meiner Arbeitsstelle ohnmächtig vom Stuhl gefallen. Daraufhin bekam ich gekündigt, weil man mir unterstellte, ich hätte eine schwere Krankheit verschwiegen.

Und dann?

Der Hausarzt, ein Allgemeinmediziner, war in Urlaub und ich ging zu seiner Vertretung, einer Internistin. Sie sagte: "Oje, wie siehst du denn aus?" Dann untersuchte sie mich und ließ Blut abnehmen. Die Werte waren auffällig. Sie hat mich sofort in die rheumatologische Abteilung der Uniklinik überwiesen. Dort wurde die Diagnose SLE gestellt.

Wie hoch waren denn damals die Blutwerte?

Die Blutsenkung war 41 zu 70, die ANA (antinukleäre Antikörper) waren 1 zu 320, die ds-DNS-Antikörper waren 126. Auch die Rheumafaktoren waren erhöht. Das IgG war 2387, IgA war 553 und IgM 229.

Wurde daraufhin eine Therapie verordnet?

Ich bekam drei Tabletten Imurek und 20 Milligramm Kortison am Tag. Das Kortison wurde später im Lauf der Zeit reduziert.

Und was sagte der Hausarzt zu der Diagnose?

Er hat nur gesagt: "Oh Scheiße!" Ich habe ihm dann gründlich die Meinung gesagt und seitdem bemüht er sich auch mehr. Weil ich in einem kleinen Ort wohne, in dem es nicht so viele Ärzte gibt und er mich und meine Familie eben auch schon lange kennt, bin ich noch heute bei ihm Patientin.

Ging es Dir unter der Therapie besser?

Nein. Nur der Haarausfall hörte auf und die Erkältungen besserten sich etwas. Die Gliederschmerzen und mein allgemeiner Zustand verschlechterten sich weiter. Ich hatte häufig Kopfschmerzen und vor allem auch immer wieder Konzentrationsschwierigkeiten. Außerdem bekam ich manchmal für zwei bis drei Wochen Durchfall. Eigentlich war es kein richtiger Durchfall, sondern zwei bis drei Mal am Tag weicherer Stuhlgang als normal, ohne dass ich irgendetwas Schlechtes gegessen hätte.

Wie ging es dann weiter?

Die Ärztin in der Uniklinik war sehr nett gewesen, aber die Ärzte dort wechselten ständig. Es waren so eine Art Praktikumsärzte. Die Untersuchungen dauerten ungefähr fünf bis zehn Minuten und dann hieß es: "Sie müssen die Medikamente weiternehmen, etwas anderes gibt es nicht!"
Inzwischen hatte ich auf dem Beipackzettel des Tegretals® gelesen, dass dieses Medikament bei Lupus Schübe auslösen kann. Ich sprach die Ärzte in der Uniklink darauf an und das Tegretal® wurde reduziert. Dann bekam ich wieder häufiger Anfälle und musste meine Arbeit, die ich inzwischen wieder aufgenommen hatte, aufgeben. Dann wurde ich zu einer Reha-Maßnahme geschickt. Dort wurde das Tegretal® wieder erhöht und die Gelenkbeschwerden verschlimmerten sich weiter. Der Neurologe, bei dem ich zuhause in Behandlung war, meinte damals: "An irgendwas stirbst du sowieso, da ist es egal, was du frisst!" Er duzte alle Patienten, auch die fünfzigjährigen.
Durch Empfehlung von Bekannten wechselte ich dann in eine andere Uniklink 150 Kilometer weit entfernt. Zu der Zeit hatte ich so starke Gelenkbeschwerden, dass ich kaum zehn Minuten am Stück laufen konnte oder kein Besteck halten geschweige denn Schreibmaschine schreiben. In der neuen Uniklinik wurde das Kortison wieder auf 20 bis 30 Milligramm pro Tag erhöht. Ich bekam ein Vollmondgesicht und die Gelenkschmerzen blieben. Es wurden dann zusätzlich Schmerztabletten verordnet, Mobec®, Diclofenac® und Arthotec®.
Dann wechselte ich zu einem Neurologen, der sich mit LE auskannte. Ich hatte ihn so herausgefunden, dass ich bei allen Neurologen in der Stadt anrief und die Sprechstundenhilfen danach fragte, ob sie auch LE-Patienten in der Praxis hätten. Nur bei diesem einen Neurologen konnte die Sprechstundenhilfe etwas mit dem Begriff "Lupus erythematodes" anfangen, und dort meldete ich mich an. Dieser Neurologe war entsetzt, dass ich solange Tegretal® genommen hatte und stellte die Medikation auf Ergenyl Chrono® um. Daraufhin gingen die Gliederschmerzen zurück und ich fühlte mich auch allgemein besser. Allerdings war ich vom Kopf her nicht mehr so belastbar und kippte auch wieder häufiger um.
Inzwischen war ich auch in die LE-Selbsthilfegruppe gekommen. Durch Empfehlung von anderen Betroffenen wechselte ich zunächst von der Uniklinik zu einem etwas näher gelegenen niedergelassenen internistischen Rheumatologen. Dort hatte ich ziemlich bald das Gefühl, dass er sich eigentlich nur für meine Gelenkbeschwerden und seinen Geldbeutel interessierte und nicht für meine gesamten gesundheitlichen Probleme. Zum Beispiel habe ich manchmal ziemlich niedrige Blutzuckerwerte und das interessierte ihn überhaupt nicht. Mein Hausarzt konnte ja leider auch nichts damit anfangen! Ich wechselte dann - wieder durch Empfehlung aus der Selbsthilfegruppe - zu einem anderen niedergelassenen internistischen Rheumatologen, dessen Praxis außerdem nur etwa 20 Kilometer von meinem Wohnort entfernt ist. Dort fühle ich mich jetzt ganz gut aufgehoben. Der Arzt ruft mich auch zuhause an, wenn es mir schlecht geht.
Außerdem wechselte ich noch von dem Neurologen in die neurologische Ambulanz des Städtischen Krankenhauses. Die Ärzte dort kennen sich mit den neuen modernen Medikamenten aus und meine Therapie wurde zusätzlich zum Ergenyl Chrono® auf Topamax® umgestellt. Damit komme ich im Moment gut zurecht. Ich konnte das Kortison ganz absetzen und nehme zur Zeit auch kein Imurek® mehr.
Meine Haltung gegenüber Ärzten hat sich im Lauf dieser Zeit ziemlich geändert. Früher war ich so eine Art Duckmäuschen. Heute lasse ich mir von Ärzten nichts mehr gefallen und sage ihnen ganz direkt, wenn ich mit irgendeiner Maßnahme nicht einverstanden bin.

Wie wirkt sich die Krankheit denn auf dein übriges Leben aus?

Ich muss sehen, dass ich jedem Stress aus dem Weg gehe. Außerdem bin ich vor einigen Jahren in EU-Rente gegangen. Ich habe einen Behindertenausweis mit 80 Prozent, aufgrund des Autounfalls und des SLE. Ich bin jetzt 32 Jahre alt und wohne nach wie vor bei meinen Eltern.

Wie geht es dir denn im Moment?

Gelegentlich habe ich nach wie vor etwas Gliederschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen, trockene Augen, weichen Stuhlgang oder Durchfall. Auch das Zittern habe ich immer mal wieder. Ich bin halt ziemlich stressempfindlich und allgemein nicht so leistungsfähig. Dass ich umkippe, kommt im Moment nur selten vor. Die Blutwerte sind ganz gut. Ohne Stress lässt es sich einigermaßen leben, wenn auch nicht ganz schmerzfrei und komplikationslos. Ich verreise häufig - komischerweise geht es mir in den nördlichen Ländern, zum Beispiel Island, meistens viel besser! Die Kälte liebe ich halt. Außerdem betreibe ich Sport. Im Großen und Ganzen bin ich mit meinem Zustand einigermaßen zufrieden. Es gibt noch viel Schlimmeres!

Danke, und alles Gute für Dich!


Mit der Lupus-Patientin sprach Dorothea Maxin.



Alle Rechte vorbehalten.
(c) 2001, Dorothea Maxin, Darmstadt


Dies ist ein Erfahrungsbericht. Medizinische Informationen auf dieser Website stellen keine Empfehlungen dar und sind kein Ersatz für eine professionelle medizinische Versorgung. Bei gesundheitlichen Problemen sollte immer ein Arzt konsultiert werden.


(Diese Seite wurde am 16.2.2024 aktualisiert.)


Alle Angaben ohne Gewähr. Es gilt der auf der Internetseite https://www.disclaimer.de angegebene Haftungsausschluss.


Top


Verantwortlich für den Inhalt und die Gestaltung dieser Webseite:
Dorothea Maxin, Gervinusstr. 47, D-64287 Darmstadt - Germany - Kontakt